Weltkrieg und Revolution - 1914-1920

1914

Einstein trägt regelmäßig mit Aufsätzen, Glossen und Gedichten zu der expressionistischen Zeitschrift Die Aktion von Franz Pfemfert bei. Nach dem Kriegsausbruch meldet sich Einstein, wie viele seiner Schriftstellerkollegen, als Kriegsfreiwilliger: "Nun gehörte ich der Gemeinschaft an, die diesmal entschied und alle Notwendigkeit ausmachte. Wir traten in eine neue Gemeinschaft ein; Menschen die zusammen sterben oder siegen wollten" (BA 4).

1915

Seit mindestens Juni und bis Ende Dezember als Unteroffizier beim Rekruten-Ersatzdepot der 12. Landwehrdivision (82. Landwehrbrigade) in Neu-Breisach/ Oberelsass stationiert. Erstveröffentlichung der Negerplastik beim Verlag der Weißen Bücher (Leipzig). Diese bahnbrechende Studie untersucht die afrikanischen Kunstgegenstände unabhängig von ideologischen ethnozentrischen Vorurteilen und Meinungen, und in Verbindung mit den entstehenden kubistischen Theorien. Damit liefert Einstein einen wesentlichen Beitrag zur Strömung des "Primitivismus" der europäischen künstlerischen Avantgarde der Zeit.

1916

Kommandierung an die Zivilverwaltung des Generalgouvernements Brüssel, Abteilung Kolonien, möglicherweise wegen seiner Kenntnisse in afrikanischen Angelegenheiten und/oder seiner Kenntnisse des Französischen. Einstein scheint eine Funktion in der Bibliothek des Kolonialamtes im Congo-Museum von Tervuren (nahe Brüssel) zu übernehmen. Dort ist er jedenfalls wissenschaftlich tätig und versammelt Materialien für spätere literarische und ethnologische Arbeiten. Er veröffentlicht Negergedichte in der Aktion und erwähnt in einem Brief an Franz Blei sein Projekt "Afrika in zwei Büchern zu versammeln" (CEM). Nach dem Krieg schreibt er aber, er hätte auf das Projekt verzichtet, "die Kunst der Kongovölker zu schreiben", weil er sich geweigert hätte, "aus der Okkupation Belgiens literarische oder pekuniäre Vorteile zu ziehen" (Brief an Kurt Wolff, 1919; Kiefer 1994, 217).

Am 13. April besucht Einstein zum ersten Mal Carl und Thea Sternheim in deren Haus "Clairecolline" in La Hulpe (nahe Brüssel), das in diesen Jahren zum wichtigen Treffpunkt der in Brüssel versammelten deutschen Schriftsteller der expressionistischen Avantgarde (Gottfried Benn, Friedrich Eisenlohr, Otto Flake usw.) wurde. Nach "Clairecolline" kommt Einstein regelmäßig mit seiner Freundin Aga von Hagen oder mit dem Zivilkommissar für Brüssel und späteren Herausgeber der Zeitschrift Der Querschnitt Hermann von Wedderkopp.

Am 13. April besucht Einstein zum ersten Mal Carl und Thea Sternheim in deren Haus "Clairecolline" in La Hulpe (nahe Brüssel), das in diesen Jahren zum wichtigen Treffpunkt der in Brüssel versammelten deutschen Schriftsteller der expressionistischen Avantgarde (Gottfried Benn, Friedrich Eisenlohr, Otto Flake usw.) wurde. Nach "Clairecolline" kommt Einstein regelmäßig mit seiner Freundin Aga von Hagen oder mit dem Zivilkommissar für Brüssel und späteren Herausgeber der Zeitschrift Der Querschnitt Hermann von Wedderkopp.

1917

Intensive Auseinandersetzung mit den afrikanischen Kulturen und Veröffentlichung einer ersten Auswahl von Negermythen und afrikanischen Legenden in der Zeitschrift Marsyas von Theodor Tagger (d.i. dem späteren Dramatiker Ferdinand Bruckner). Weitere Gedichte werden in der Aktion veröffentlicht.

In Brüssel wird regelmäßig mit Benn, der dort als Militärarzt tätig ist und den Einstein schon vor dem Krieg kennen lernte, Kontakt gepflegt. Mit den "écrivains occupants" (s. Brief an Kurt Wolff 1919), die im Dienste der offiziellen sog. "Flamenpolitik" kulturpolitische Arbeit leisten (Rudolf Alexander Schröder, Friedrich Markus Huebner, dem Insel-Verleger Anton Kippenberg...) weigert er den Kontakt.

Einstein leidet unter einem Nervenschock, der wahrscheinlich seiner politisch-sozialen Wandlung zum späteren Revolutionär zugrunde liegt, wie aus einem Brief an seine Frau Maria hervorgeht: "Ich halte den Krieg nicht mehr aus. Alles bricht zusammen; alles was mir galt ist zerstört. [...] Es gibt keine Sekunde, wo ich mich nicht am Hals gepackt fühle. Herrschaft Kraft und Gewalt der Gemeinen. Elend der Guten. Wir sind in der Hölle und fallen in das Chaos" (Kiefer 1994, 218).

Laut einem Brief von Aga von Hagen an Thea Sternheim sei Ende 1917 Einstein aus seinem Amt bei der Kolonialverwaltung abberufen und infolge einer Denunziation aus Brüssel entfernt worden (Tagebuch Thea Sternheim, 7. und 15. Okt.; Roland, 67).

1918

Bis November 1918 ist die Art der Tätigkeiten Einsteins in Belgien nicht klar. Manche Quellen erwähnen einen Aufenthalt in einem Lazarett in der Nähe von Namür (Roland, 68). Sicher ist, dass Einsteins Politisierungsprozess sich weiter nach der russischen Revolution, wofür er sich begeistert, entwickelt. Politischer Aktivismus vor der Novemberrevolution und "Kontakte zu pazifistischen Kreisen" (Ihrig, 82) sind aber nicht belegt. Weitere Informationen über angebliche Tätigkeiten, die aus zweiter Hand von belgischen Zeitgenossen vermittelt wurden (so Robert Goffin, Fernand Wesly, den Historikern Gille-Ooms-Delandsheere) erscheinen als wenig zuverlässig.

Projekt einer "Enzyklopädie zum Abbruch bürgerlicher Ideologie" mit Sternheim und Benn, von dem nur zwei Seiten erscheinen, die erste von Sternheim, die zweite von Einstein (das Fragment Abhängigkeit, 1919 in der Zeitschrift Der blutige Ernst; s. BA 2) verfasst.

Freundschaft mit dem belgischen dadaistischen Schriftsteller Clément Pansaers, dem Hauslehrer der Kinder Sternheims und Herausgeber der Zeitschrift Résurrection, wo Pansaers Auszüge aus Bebuquin übersetzt. Sternheim inszeniert mit scharfer Ironie Einsteins "Negermanie" und die Beziehung mit Aga von Hagen in seiner Erzählung Ulrike.

Auf der Grundlage von verschiedenen Quellen, u.a. der nach den Ereignissen in Neukölln veröffentlichten Broschüre Die Revolution in Brüssel, an deren Verfassung Einstein möglicherweise beteiligt war, lässt sich diese "Revolution" folgenderweise zusammenfassen. Am 10. November erfolgt die Gründung des "Zentral-Soldaten-Rates" Brüssel unter der Leitung des USPD-Mitglieds Hugo Freund. Am Nachmittag wird über Telegramm vermittelt, dass die Offizieren des Generalgouvernements den revoltierenden Soldaten keinen Widerstand leisten und mit ihnen die Zusammenarbeit suchen sollten (Gotovitch); so wird das Generalgouvernement im Brüsseler "Palais de la Nation" gewaltlos "erstürmt", und die rote Fahne wird gehisst. An diesem Tag scheint Einstein zuerst voller revolutionärer Utopien zu sein und sucht Zusammenschluss mit belgischen revolutionären Kräften (Eisenlohr; Einstein taucht in diesem autobiographischen Roman als "Dr. Unfels" auf). Schnell muss er in bitterer Resignation feststellen, dass die belgischen Sozialisten aus verschiedenen Gründen zur Kollaboration mit dem Soldatenrat nicht bereit sind und dass die deutschen Soldaten sich vor allem nach Räumung und Kriegsende sehnen. Einstein übernimmt dann offizielle Funktionen für den Soldatenrat: Verhandlungen mit den ehemaligen deutschen Behörden, belgischen Politikern und Vertretern der neutralen Länder (Holland, Spanien), um den chaotischen Zuständen (Plünderungen, Schießereien...) vorzubeugen; er trägt zu der Verproviantierung der Bevölkerung und der Evakuierung der deutschen Soldaten bei und übernimmt die Organisation des Pressedienstes. Die letzte Spur seiner Anwesenheit in Belgien datiert aus dem 16. November. Auffällig bei Berücksichtigung der Ereignisse ist Einsteins anfängliche politische Unerfahrenheit im Vergleich mit den meisten Mitgliedern des Soldatenrates, die SPD oder USPD-Mitglieder sind und demzufolge ihn als "Anarchisten" missachteten; andererseits ist seine schnelle Anpassungsfähigkeit und Wandlung zum geschickten und besonnenen Diplomaten bemerkenswert. (Roland; Gotovitch) Der unentwegte Platoniker erscheint, auf Empfehlung von Franz Werfel, bei Kurt Wolff in Leipzig

1919

Einstein engagiert sich dezidiert im Dienste der spartakistischen Revolution. Nach der Gründung der KPD zur Jahreswende und dem Aufruf zum Sturz der SPD-Regierung wird er direkt in die Niederschlagung des Spartakus-Aufstandes verwickelt. Am 15. Januar (Tag der Morde an Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht) wird er mit seiner Frau Maria, Franz und Alexandra Pfemfert verhaftet; die Verhafteten werden schnell losgelassen.

Vermutlich bereits als Mitglied der kommunistischen Partei Berlin-Charlottenburgs setzt Einstein in polemisch-propagandistischen Artikeln für die Zeitschrift Die Pleite seine revolutionäres Engagement fort (s. den Aufsatz An die Geistigen; BA 2). Am 14. Mai hält er einen Vortrag über "Die politische Verantwortung der Intellektuellen" in der Berliner Philharmonie als Unterstützung des Plans eines "Rätebunds" d.h. des Experiments einer "Räterepublik der Literaten". Am 13. Juni hält er eine Rede bei der Totenfeier für Rosa Luxemburg in Berlin; im 8 Uhr-Abendblatt wird eine Denunziation veröffentlicht, laut der Einstein bei dieser Gelegenheit zum Morde aufgefordert haben soll. Am nächsten Tage fährt er mit dem Zug von Berlin nach Nürnberg, um dort einer kommunistischen Veranstaltung teilzunehmen; wegen der Überwachungsstrategie nach der Zerschlagung der bayrischen Räterepublik wird er vorläufig festgenommen, weil er mit einem falschen Pass reist. Am 19. Juni wird er über die bayerische Landesgrenze abgeschoben und reist nach Berlin zurück. (Heißerer 1992 b)

In der von ihm und George Grosz ab Nr. 3 herausgegebenen Zeitschrift Der blutige Ernst entlarvt Einstein in einer Parodie auf Ludendorffs Tagebuch den Nobelpreisträger Fritz Haber als Erfinder des Gaskriegs und als Büttelmarionette in den Händen des Generals.

Weitere Beiträge zu Der blutige Ernst und der dadaistischen Zeitschrift von Wieland Herzfelde Die Pleite. Kontakte zum Malik-Kreis mit Herzfelde, Grosz und John Heartfield. Pansaers besucht Einstein in Berlin und versucht mit dem Herausgeber der französischen Zeitschrift Sic Pierre Albert-Birot zu vermitteln.

1920

Nach der allein von Einstein herausgegebenen Nr. 6 (Februar) von Der blutige Ernst wird die Zeitschrift verboten.

Neuausgabe der Negerplastik bei Kurt Wolff (München) mit 116 Abbildungen.

Zwischen Dada und Kunst des 20. Jahrhunderts - Einsteins Berliner Jahre 1920-1928 -->

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